Doch, das ist nötig. Einige Gleichnisse von Jesus sind in
ihrer Logik so orientalisch, dass wir als Europäer ernsthafte Probleme haben,
sie zu verstehen.
So hat Jesus z.B. in der Bergpredigt im Zusammenhang mit
der Bedeutung des Geldes ein Gleichnis über das Auge erzählt, das aber
überhaupt kein Gleichnis über das Auge ist! Da muss man nur erstmal drauf
kommen!
Jesus beginnt in Matthäus 6,22 mit der Aussage:
„Die Lampe des Leibes ist das Auge.“
Wir Europäer gehen davon aus, dass der Mensch aus dem Auge
herausguckt. Man wirft Blicke auf etwas. Jesu Sichtweise war grad andersherum:
Durch das Auge kommt Licht in den Körper, und dadurch weiß der Fuß, wo er
hingehen muss; und die Hand, wo sie hingreifen muss; und die Menschenkenntnis,
mit wem sie es zu tun hat.
Und dann erklärt Jesus, was passiert, wenn diese Lampe,
die das Licht nach innen schickt, defekt ist:
„Wenn nun dein Auge klar ist, so wird dein ganzer Leib licht sein; wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein.“
Hier muss man erstmal verstehen, dass „böse“ in diesem
Fall keine moralische Wertung ist, sondern die wörtliche Übersetzung
orientalischer Ausdrucksweise. Wir nennen einen Tumor ja auch „bösartig“,
obwohl er keinerlei moralische Absichten hat, sondern nur einen Defekt, der zu
ungebremster Ausdehnung führt. Das Auge ist hier also nicht ein Moralschwein,
sondern defekt.
Und wenn das Auge defekt ist, wenn also der Mensch blind
oder schwer sehbehindert ist, dann steht der gesamte Menschen im Dunklen. Man
kommt vielleicht noch mit Tasten zurecht oder mit Hören, oder man lässt sich
von jemand anderem führen, aber im Grunde genommen weiß die Hand nicht mehr, wo
sie hingreifen soll; der Fuß nicht mehr, wohin er gehen soll; und alle
Zusammenhänge, die ein sehender Mensch über das Sehen begreift, kann man nicht
mehr begreifen. Man ist also schwer orientierungslos.
Und damit ist die Geschichte vom Auge zu Ende. Jetzt
kommen die Anwendung, der Vergleich.
„Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß die Finsternis!“
Wenn Dein Auge, also der Lieferant des äußeren Lichtes,
defekt ist, ist das schon schlimm. Aber wenn Dein Herz, der Lieferant Deines
inneren Lichtes, defekt ist – wenn also die Orientierung Deines Willens, Deines
Gewissens, Deiner Liebe, Deiner Ziele und Absichten, wenn die Orientierung
bezüglich der Grunddaten Deines Lebens nicht mehr funktioniert – das beschreibt
Jesus als noch viel schlimmer, als wenn „nur“ die rein äußerliche Orientierung
nicht mehr funktioniert.
Und diese Aussage steht in der Bergpredigt im Zusammenhang
mit Geld, Besitz und Sorge. Mit Geiz und Habgier, mit Armut und
Hoffnungslosigkeit. Wenn das Geld Dein inneres Navi darstellt – egal ob aus dem
Grund, weil Du sehr viel davon hast, oder aus dem Grund, weil Du fast nichts
davon hast – dann bist Du gefangen in einer geradezu unbeschreiblich finsteren
Finsternis.