Dienstag, 24. März 2020

Die Plastizitätszahl


Mein Nachhilfestudent war da.

Wie fast jeden Sonntag.

Ist durch die Prüfung gefallen und muss jetzt ins mündliche.

Geophysik.

Er konnte mit den Formeln rechnen.
Er konnte auch die einzelnen Werte richtig eintragen in die Formel: Z.B. die Plastizitätszahl und die Konsistenzzahl.
Aber er wusste nicht, was diese Zahlen bedeuten.

Er bekam bei der Rechnung ein Ergebnis, wusste aber eigentlich nicht, was er gerade ausgerechnet hatte.

Das ist schlecht, wenn man in der Prüfung lauter Textaufgaben bekommt, bei denen man im Grunde erst einmal herausfinden muss, was man ausrechnen muss.

Jede Sprache ist schwierig, wenn man die Vokabeln nicht kann.

Der Suchvorgang

Also haben wir versucht, herauszufinden, was die Plastizitätszahl und die Konsistenzzahl eigentlich bedeuten.
Wir hatten zwei sehr dicke Lehrbücher zur Verfügung, eins über Geophysik und eins über Gleisbautechnik, die Mitschriebe und Unterlagen aus den Vorlesungen und das gesamte Internet.
Und diese Zahlen kamen überall vor.
Man kannte die.
Sie wurden oft erwähnt.
Aber nirgendwo haben wir eine Beschreibung oder eine Definition gefunden.
Nirgends eine Erklärung in dem Stil: „Die Plastizitätszahl ist dazu da, dass man weiß, wieviel Rumms in welchem Knacks unter welchen Umständen …“.
Alle haben diese Zahlen benutzt, aber niemand hat sie erklärt.

Der Findevorgang

Nach 90 Minuten denken und wälzen hatte ich es raus.
Und ich habe es rausbekommen, indem ich die Formel rückwärts gerechnet habe.
Ich habe also die Formel auseinander genommen und überlegt, was man da eigentlich von was abzieht und durch was teilt, und warum. 
Über das Verstehen der Formel bin ich dahin gekommen, dass ich verstanden habe, was wir ausrechnen.

Die Plastizitätszahl in der Bibel

Wir haben in der evangelikalen Christenheit genau das gleiche Problem.
Die Gläubigen kennen die Worte und können sie zu wunderbaren Sätzen und Formeln zusammenfügen.
Sie jonglieren mit Liebe und Heiligung, Sünde und Vergebung, Ewigkeit und Einheit, Heiligem Geist und Sohnschaft.
Und wenn man sie fragt, um was es eigentlich geht bei der ganzen Sache, dann wiederholen sie einfach ihre Formeln und Sätze.
Und die Gläubigen sagen: So falsch kann das ja nicht sein, was wir da sagen, das steht ja so in der Bibel. Das sind biblische Sätze, biblische Formeln.
Wie in der Geophysik: An meiner Benutzung der Formel kann keiner rummeckern, sie steht ja so im Lehrbuch.

Leider nicht

Wir haben in der Bibel das gleiche Problem wie in der Geophysik: Worum es eigentlich geht, wird weder definiert noch formuliert.
Und darum hat uns das von unseren Bibellehrern und Predigern auch nie jemand gesagt.
Die wussten es auch nicht, denn es steht als Definition oder Formulierung nicht in der Bibel drin.
Man bekommt es nur raus, wenn man die Formeln auflöst und rückwärts rechnet.
Wenn man Liebe durch Heiligung teilt, Sünde von Vergebung abzieht, Ewigkeit mal Einheit nimmt und die Wurzel zieht aus Heiligem Geist und Sohnschaft.

Das Ergebnis

Das Ergebnis ist, dass es darum geht, in Kontakt zu treten mit dem ewigen Gott.
Also das uralte Menschheitsproblem: Es gibt offensichtlich einen Gott, aber wie kann man mit ihm umgehen.
Es geht nicht um die Sündenvergebung, denn die ist nur Mittel zum Zweck.
Es geht nicht um Heiligung, denn die ist nur Mittel zum Zweck.
Es geht nicht um den Heiligen Geist, denn der ist nur Werkzeug oder Methode.
Es geht nicht um das ewige Leben, denn das ist nur die Existenzform, die man braucht, um den Kontakt oder die Gemeinschaft mit diesem Gott optimal herstellen zu können.
Es geht nicht um die Liebe, denn sie ist nur das Motiv für den Kontakt zwischen Gott und Menschen.
Es geht darum, möglichst nah an diesen Gott ranzukommen, sich mit ihm verständigen zu können. Tatsächlich und nachweisbar in seiner Nähe zu leben und sich dieses nicht nur einzubilden.
Gottes Stimme zu hören, Gottes Atem zu spüren, Gottes Bewegungen mitzubekommen, Gottes aktuelles Handeln zu erkennen und darum erfolgreich mitmachen zu können.
(Über den letzten Punkt hat Rick Warren in seinem Buch „Kirche mit Visionen“ ein ganzes Kapitel geschrieben: Mitzukriegen, wann und wo Gott eine Welle macht, und dann darauf surfen.)
„Gemeinschaft“ könnte man das nennen, wenn dieser Begriff in der christlichen Szene nicht so dermaßen ausgelutscht, abgenutzt und missbraucht wäre.
Freund und Freundin Gottes zu sein, im besten und absolutem Sinne dieses Begriffes.

Warum Jesus kam

Das ist auch der einzige Grund, warum Jesus gekommen ist: Um die Verbindung zwischen Gott und Mensch zu perfektionieren.
Jesus ist nicht gekommen, um die Sünden zu vergeben. Er hat zwar alles getan, damit sie vergeben werden, aber das war nur ein Mittel, um sein eigentliches Ziel zu erreichen.
Jesus ist nicht gekommen, um den Teufel zu besiegen. Er hat ihn zwar besiegt, aber das war nur ein Mittel, um sein eigentliches Ziel zu erreichen.
Das eigentliche Ziel von Jesus war, eine größtmögliche Nähe von Menschen zu Gott (oder andersherum) herzustellen.

Die richtige Benutzung der Formeln

Alle die christlichen Formeln wird man nur dann richtig benutzen, wenn man das Ergebnis verstanden hat, zu dem alle diese Formeln hinführen sollen.
Wenn man den Heiligen Geist, die Sünde oder die Heiligung als absolute Werte benutzt, also als Endergebnis und nicht als einen untergeordneten Teil der eigentlichen Formel, kriegt man irgendeine Form der Gesetzlichkeit.
Wobei auch die Ungesetzlichkeit eine Form der Gesetzlichkeit ist.
Darum betont Paulus, dass alles erlaubt ist.
Aber eben nicht alles nützt.
Nichts nützt wozu?
Zu dem Ergebnis, das am Ende rauskommen soll.
Aber dieses Ergebnis, das nirgendwo in der Bibel definiert oder formuliert ist, müsste man verstanden haben.

Glaube

„Glauben“ ist damit die Überzeugung, dass die Nähe zu Gott für mich tatsächlich in bestmöglicher Form hergestellt ist, und dann entsprechend zu denken und zu leben.
(Und diese Definition von „Glaube“ steht übrigens auch nicht in der Bibel. Auch sie muss man rückwärts errechnen.)

Nachtrag

P.S.: Die Plastizitätszahl bezeichnet übrigens die Menge an Wasser (angegeben in %), die ein Boden vertragen kann, ohne dass er wegfließt. Wenn die Plastizitätszahl eines Bodens gering ist, er also wenig Wasser verträgt, sollte man dafür sorgen, dass es dort, wo man das Haus oder die Straße bauen will, nicht regnet.
Die Konsistenzzahl wiederum schließt aus der Plastizitätszahl, ob der Boden hart oder weich ist.
Die Plastizitätszahl sagt also, wieviel oder wie wenig es regnen darf, damit der Boden sich noch bewegen kann.
Die Konsistenzzahl sagt, wie hart der Boden ist.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen